Plan B – Coming back for more!
I’m drowning in information
still starving for knowledge
- “Telecom communication cripples”, Plan B 1993
Als Plan B aus Berlin im Januar 1993 ihr drittes und vorerst letztes Major-Album “Cyber Chords & Sushi Stories” veröffentlichten und über “Telecom Communication Cripples” sangen, da konnte man keine Band der Welt googeln, kaum jemand hatte mehr als ein paar Dutzend Freunde, und das Kleingedruckte übers Urheberrecht interessierte keine Sau.
Johnny Haeusler, Texter und Sänger der Berliner Band, schraubte zu dieser Zeit nicht nur an seiner Gitarre herum, sondern öffnete regelmäßig auch die Telefondosen deutscher Mittelklassehotels, um seinen Laptop während der ausgedehnten Tourneen mit dem Internet verbinden zu können. Das Internet und Musik waren für Haeusler schon vor 20 Jahren untrennbar miteinander verknüpft, und so nervte er nicht nur seine Mitmusiker solange, bis sie sich eine Maildresse eingerichtet hatten, sondern ließ seine Band auch immer wieder mit Techno-Sounds und Dance-Grooves experimentierte, ohne dabei die Leidenschaft und Energie zu verlieren, welche ihr die Postpunk-Ära in die Wiege gelegt hatte.
“Es waren und sind in erster Linie britische Künstler wie The Clash, The Jam, The Specials oder auch Elvis Costello, die uns beeinflusst haben”, erinnert sich Haeusler. “Doch genau so, wie The Clash sich beim Reggae bedient haben oder den frühen Rap des New Yorks Anfang der 80er in ihre Songs einfließen ließen, wollten auch wir die Ohren offen halten und uns nicht vor neuen Entwicklungen verschließen.”
Es erscheint rückblickend nur konsequent, dass sich Johnny nach dem vorläufigen Ende von Plan B 1995 verstärkt mit dem weltweiten Datennetz beschäftigte, Konzepte für den digitalen Musikvertrieb entwickelte und bis heute nicht nur mit Spreeblick eines der erfolgreichsten Blogs Deutschlands betreibt, sondern mit der re:publica auch eine der wichtigsten europäischen Konferenzen zum Thema ins Leben gerufen hat. Seine digitale Heimat genügte ihm dann aber doch nicht:
“Ich verspürte eine gewisse Unruhe, denn ich hatte immer das Gefühl, dass Plan B nicht wirklich beendet war, dass wir noch eine Rechnung offen hatten. Unzählige Mailanfragen zeigten mir außerdem, dass es viele Menschen gibt, die unsere Songs noch immer lieben, und ich selbst vermisste den Krach, die Energie der Band sehr. Also beschloss ich 2011 in den Proberaum zu gehen mit dem Ziel, die alten – aber auch neue Songs – wieder live zu spielen. Ein Blog ist zwar auch eine Art Bühne, und auch ein Blog-Text muss rocken, aber kein iPhone ist so cool wie eine Telecaster.”
No phone’s as smart
as a guitar played by heart …
– “Modern conservatives”, Plan B 2012
Discontentment is our engine
So you work and work all day
but you never get enough pay …
– “Discontentment”, Plan B 1989
Im Gründungsjahr 1984 fanden sich Plan B auf einer sehr großen Bühne ein: In Eigenregie hatte es die Band erfolgreich geschafft, The Clash davon zu überzeugen, sie als Vorgruppe bei deren Düsseldorfer Konzert zu engagieren. Kein schlechter Auftakt für eine Musik-Karriere (die ganze Geschichte dieser legendären Begebenheit ist in Johnny Haeuslers eBook “I live by the river!” nachzulesen), doch noch lange keine Garantie für den Erfolg.
“You need to work hard”, attestierte dann auch Joe Strummer den jungen Berlinern nach ihrem Set, und das taten sie. Selbst organisierte Konzerte, ein Open Air Gig in der Berliner Waldbühne vor 20.000 Menschen als Support von Depeche Mode (!), ein Gig im Moskau des Jahres 1987 und drei Independend-Releases folgten, doch der größere Durchbruch ließ zunächst noch auf sich warten.
1987 packte Johnny das frisch produzierte Demo des neuen Plan-B-Songs “Beam me up, Scotty!”, stieg mit den Mitmusikern in seinen VW-Käfer und kutschierte nach London, um den englischen Plattenfirmen seine Band zu verkaufen. Erfolglos, aber mit ungeschwächtem Selbstbewusstsein kehrten Plan B nach Berlin zurück und beschlossen, auf die Suche nach einer Plattenfirma zu verzichten.
“Wir hatten dieses Hoffen auf einen Major-Deal satt und nahmen uns vor, einfach so oft live zu spielen, bis man nicht mehr an uns vorbei kam”, erzählt Johnny von der damaligen Strategie, die schließlich auch aufging, als ihn ein Jahr später Markus Linde anrief, frisch eingestellter A&R bei der damaligen BMG Ariola.
Linde erinnert sich gut an diesen Tag: “Es war einer meiner ersten Arbeitstage bei BMG und ich wühlte mich durch eine Kiste voller Demo-Kassetten, die mein Vorgänger als untauglich aussortiert hatte. Eines dieser Tapes stammte von Plan B. Ich legte die Kassette in den Player, hörte dieses grandiose Gitarren-Intro von ‘Beam me up, Scotty’ und wusste: Diese Band wird die erste sein, die ich unter Vertrag nehme.”
Und das tat er auch. 1989 erschien das erste Major-Album von Plan B in der Besetzung Hans Hackenberger (git, vox), Andreas Perzborn (dr, vox), Fritz Neitzert (bass) und Johnny Haeusler (vox, git). “The Greenhouse Effect” wurde in den Londoner Greenhouse Studios vom Ex-Bassisten der Vibrators und Wonderstuff-Produzenten Pat Collier aufgenommen. Mit diesem Album im Gepäck machten sich Plan B als Vorgruppe der Ramones auf den Weg durch die Republik, was sie endgültig zu einem Namen bei deutschen Alternative-Rock-Fans machte und für eine 1990 folgende, ausverkaufte eigene Tour durch mittelgroße Hallen sorgte.
Für das zweite, 1991 erschienene Album “Intensified!” hatte es die Berliner dann in die USA nach Los Angeles gezogen, denn auch dort war The Greenhouse Effect veröffentlicht worden, was zu einer dreimonatigen Tour durch die Staaten geführt hatte. “Wir wollten die Welt sehen”, sagt Johnny Haeusler heute, “es war eine Traum für jede Band: Die USA bereisen und Musik machen!”
Intensified! gilt als das rockigste Album der Band, eine Tatsache, mit der Johnny nicht uneingeschränkt glücklich war: “Auf Intensified! sind ein paar tolle Songs, doch mir war der Sound zu amerikanisch, zu fett, zu mainstreamig. Mir fehlten die Kanten.” Dem Publikum gefiel Intensified! jedoch genau so, wie es war, das Album verkaufte durch Songs wie “Grab it!” mehr als der Erstling und landete für kurze Zeit in den deutschen Charts, die Deutschland-Tour wurde
größer und erfolgreicher als die vorangegangene.
Ausgerechnet das “amerikanische” Album Intensified! wurde jedoch nicht in den USA veröffentlicht. Für den Nachfolger, das dritte Album für BMG Ariola, holte die Band einen amerikanischen Produzenten nach Deutschland. Mark Plati, der u.a. mit Prince und David Bowie gearbeitet hatte, stellte sich mit einem Remix eines Plan-B-Songs vor, man traf sich, lernte sich kennen und schätzen und begann die Arbeit an “Cyber Chords & Sushi Stories” in den Studios von Paul Grau in der Nähe von Köln. “Cyber Chords” erschien 1993 und klang wieder wesentlich britischer als der Vorgänger, Rave-beeinflusst gar. Während die Fans die neuen Stilelemente wie Samples und Loops in Songs wie “Life’s a beat” begrüßten und live feierten, waren Kritiker in Deutschland verwirrt von Plan B, die plötzlich auch elektronische Sounds nutzten und dennoch eine glasklare und energiegetriebene Rock’n’Roll-Band blieben.
In den USA verstand man das Konzept hingegen so gut, dass Plan B zur nächste Tour durch die Staaten ansetzten und dort “Cyber Chords” u.a. als Support für Peter Murphy (Bauhaus) und Duran Duran präsentierten. Das Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten hatte Plan B so wohlwollend aufgenommen, dass man 1994 beschloss, das nächste Album wieder mit Mark Plati, diesmal jedoch in New York zu produzieren. Arbeitstitel: “Alphabet Soup”.
Bei der Heimkehr nach Deutschland jedoch kam der Schock für die Band: Der damalige Chef von BMG Ariola, Thomas Stein, wollte die Aufnahmen entgegen vertraglicher Verpflichtungen nicht veröffentlichen. “So was ist unverkäuflich”, attestierte er und löste den Vertrag mit der Band auf.
Jahrelange Rechtsstreits legten die Band daraufhin lahm und es kam zur Frust-Entscheidung. Johnny übernimmt die Verantwortung: “Ich hörte ‘Going Underground’ von ‘The Jam’ im Radio und kämpfte mit den Tränen vor Wut. Es war die Kraft solcher Musik gewesen, die mich dazu getrieben hatte, eine Band zu gründen und auf Bühnen zu steigen, und plötzlich saß ich da, lahmgelegt von Anwälten und daher durch Dritte unfähig gemacht, weiter meine Musik zu spielen. Kraftlos und aus purer Verzweiflung löste ich die Band auf. Ich wollte mit diesem Business einfach nichts mehr zu tun haben, wollte mein Leben und meine Musik nicht von Anwälten bestimmen lassen.”
Nach der Auflösung 1996 suchten die einzelnen Musiker Abstand voneinander und gingen ihrer eigenen Wege. Fritz Neitzert hatte seinen Job als Bassist bereits vor der New-York-Produktion an den Nagel gehängt, war ins Management gewechselt und kümmerte sich nun ebenso wie Hans Hackenberger um andere Projekte und Arbeiten. Andreas “Perzi” Perzborn arbeitete als Designer, trommelte jedoch auch weiterhin für diverse Bands, und Johnny Haeusler, Gitarrist, Sänger und Kopf der Band, widmete sich seiner zweiten Leidenschaft neben der Musik, den digitalen Medien (er veröffentlichte das von BMG abgelehnte Album “Alphabet Soup” 2004 als freien Download auf seinem Blog Spreeblick).
Doch die Geschichte dieser einzigartigen Band ist noch nicht zuende erzählt, und so stehen Plan B 2012 in teilweise neuer Besetzung wieder auf der Bühne. Als Mitstreiter fand Haeusler für diesen Plan B neben Drummer Perzi zwei alte Freunde der Band und ebenfalls bekannte Berliner Musiker:
Beckmann war Bassist der Rainbirds und Co-Autor ihres Hits “Blueprint”, er spielte ebenfalls beim Ärzte-Ableger Depp Jones. Heute ist er gefragter Komponist, kümmert sich um Soundtracks für Spielfilme und lässt nun auch für Plan B die tiefen Töne erbeben. Sein Kollege Sven Schumacher, ehemals bei den Bands Gum und No Harms und heute als Solo-Künstler und mit diversen Bands unterwegs, sorgt dabei für die Lead-Gitarren und die Backing-Gesänge.
Johnny Haeusler strahlt: “Nach der Freude darüber, dass die Songs noch immer gut losgehen, kam auch der Schock, dass sie eigentlich besser klingen als früher. Älter geworden zu sein hat der Band die Eitelkeiten der Jugend genommen. Statt auf dieses oder jene Solo zu bestehen, statt den eigenen Kopf durchsetzen zu müssen, geht es nun vier Männern darum, gemeinsam das bestmögliche Ergebniss zu erarbeiten. Perzi trommelt immer noch wie ein junger Gott, der neue Druck am Bass durch Beckmann ist gewaltig, Sven steuert Harmoniegesänge dazu, die einen halben Chor ersetzen, und ich bin überglücklich, endlich wieder auf eine Gitarre eindreschen zu können …”.
Live kann man von Plan B 2012 die beliebtesten Songs aus allen Major-Alben und ihrer Independent-Zeit erwarten, gleichzeitig arbeiten sie an neuem Material, das den mit “Alphabet Soup” angespielten Ball wieder aufnehmen soll.
Noch einmal Johnny: “Es gibt so viel gute Musik da draußen, die sich nicht mehr eindeutig klassifizieren lässt, Genres vermischen sich wie kaum zuvor und das ist großartig. Und irgendwo zwischen Arcade Fire, Kraftklub, Jamie T, Frank Turner, den Beatsteaks und den Gorillaz gibt es nun auch wieder Plan B. Und zwar den originalen!”
Und das Business?
“Die Zeiten haben sich geändert”, weiß Haeusler. “Musik findet zum Glück zwar immer noch und sogar verstärkt live statt, doch neben dem Radio und dem TV lebt sie nun auch im Internet, auf Facebook, bei YouTube, Spotify und iTunes sowie auf dem Smartphone. Die Möglichkeiten sind schier endlos und wir werden sie alle nutzen. Ob wir dazu dann überhaupt noch eine Plattenfirma brauchen … das wird sich zeigen.”